Download PDF

Es gab auf der ISPO viele neue Materialien in den kommenden Kleidungsstücken zu entdecken. Die Bereiche der Isolation sind natürlich den Marken Primaloft und Polartec vorbehalten, die natürlich auch schon mit Polartec Alpha bzw. mit neuen Primaloft Technolgien auf OutdoorBlogNews in Form von einigen Artikeln gewürdigt wurden. Nicht weniger interessante Neuigkeiten gibt es im Hardshell-Bereich.

Neu in der kommenden Wintersaison ist das GORE-TEX(R) Pro, welches sich vorallem für diejenigen lohnen könnte, die eine Jacke und/oder Hose für solch reizvolle Einsatzgebiete wie Eisklettern, Freeride & Ski Mountaineering suchen. Noch robuster wie man es zuvor schon von der alten „Pro Shell“ kannte und darüber hinaus soll die Membran nun bis zu 28 % atmungsaktiver  sein. Dies wäre natürlich ein klares Kaufargument.

Als kritischer Beobachter bei Neuheiten ist man immer etwas geneigt Aussagen zu hinterfragen, denn „bis zu 28 % atmungsaktiver“ ist wiederum ein Punkt, wo man sich gefühlsmässig stark in die Vorzüge des GORE-TEX(R) Active Shell bewegt, nur dass diese Membran weniger mit Robustheit glänzen soll. Wenn nun das neue GORE-TEX(R) Pro deutlich atmungsaktiver geworden sein soll, wo liegt da nun noch der Anreiz für den Kauf eines Active Shell Produkts?

GORE-TEX(R) Active Shell vs. GORE-TEX(R) Pro

Die Spurensuche führt einen in die Untiefen der Details, des Kleingedruckten und der wissenschaftlichen Angaben. Gerne und oft liest man die typischen Pressemeldungen mit immer neueren Superlativen, wo man als aufmerksamer Leser es schwer hat, die neuen Produkte irgendwie einzuordnen. Ein kleines Hilfsmittel gerade im Hardshellbereich ist der RET-Wert. Mit diesem Wert kann man die Atmungsaktivität auch als Laie gut einschätzen, da man nun konkrete Zahlen vergleichen kann. Wie subjektiv man die Jacken und Hosen später selber bewerten wird, ist wiederum eine andere Geschichte. Der RET-Wert hilft jedoch durch Zahlen und Verhältnisse z.B. die oben genannte Frage bzgl. GORE-TEX(R) Pro im Verhältnis zu GORE-TEX(R) Active Shell zu beantworten.

Bezüglich der Atmungsaktivität orientiert sich die W. L. Gore & Associates GmbH an der Hohenstein-Klassifikation (FHI ISO 11091), die den RET-Wert bemisst, damit also den Wasserdampfdurchgangswiderstand der Bekleidung. Beim GORE-TEX(R) Active Shell spricht man wie beim GORE-TEX(R) Pro von extrem atmungsaktiv. Einen Unterschied gibt es wiederum beim eigentlichen RET-Wert, wo GORE-TEX(R) Active Shell den Wert <3, das neue GORE-TEX(R) Pro den Wert <6 besitzt. „Kleiner“ oder „Kleiner gleich“ kennt man aus der Mathematik und vielleicht mögen sich die Naturwissenschaftler damit zufrieden geben, für viele Menschen dürfte dies aber eher eine schwammige Aussage darstellen.

GORE-TEX(R) Pro vs. GORE-TEX(R) Pro

Nun hat man zwar gezeigt, dass Active Shell immer noch einen deutlich besseren Wert besitzt, aber wie muss man nun die neue Pro Generation im Vergleich zum derzeitigen Pro Stand einordnen? Ernüchternd und eher irritierend ist der Vergleich der aktuellen und der neuen Generation von GORE-TEX(R) Pro Produkten.

Der RET-Wert ist bei den aktuellen GORE-TEX(R) Pro Produkten < 6 und damit extrem atmungsaktiv.  Für die neue Generation der GORE-TEX(R) Pro Produkte, die ab Herbst/Winter 2013 in den Markt kommen,  hat das Hohenstein Institut erneute Tests durchgeführt.  Das Ergebnis ist, dass sich in diesen Tests die Atmungsaktivität nochmal um bis zu 28% verbessert hat – insgesamt ergibt sich auch hier ein RET Wert <6 und damit extrem atmungsaktiv.

Aufbau GORE-TEX(R) Pro - Fotocredit: W. L. Gore & Associates GmbH

Aufbau GORE-TEX(R) Pro – Fotocredit: W. L. Gore & Associates GmbH

Gerade die letzte Aussage „insgesamt ergibt sich auch hier ein RET Wert <6“ hat uns etwas verwundert. Eigentlich hätte man spontan erwartet, dass eine deutliche Steigerung zu erkennen wäre und in Vergleichstest selbst die schlechteste Kombination aus Materialdicke und dergleichen eine nennenswerte Verbesserung zur Vorgängermembran darstellen würde. Unterm Strich stören wir uns gerade daran, dass beide <6 sind, man jedoch als „Verbesserung“ eine <4 oder zumindestens <5 erwartet hätte. Nehme man z.B. einen RET-Wert von 5,9 für ein Testexemplar im vorherigen Test, dann hätte es sich, sofern es der Testsieger gewesen wäre, auf ~4,25 verbessert. In diesem Fall könnte man eher von <5 und nicht von <6 sprechen. Es wirft dann natürlich auch die Frage auf, ob es nicht auch Modelle gibt, wo die Verbesserung eher einige Stellen hinterm Komma messbar waren. Kritisch könnte man bei gleichen RET<6-Werten für die alte und neue Generation natürlich hinterfragen, warum soll man unter Umständen 10% mehr für eine neue GORE-TEX(R) Pro Jacke/Hose in der kommenden Wintersaion bezahlen, wenn die aktuellen Modelle ebenfalls im Verbund der Testlaminate einen Wert <6 besitzen?

Natürlich haben wir diese Frage und unser Bedenken auch an GORE-TEX® gerichtet. Bekommen haben wir zwar nicht eine ultimative Tabelle unter welchen (Material-)Bedingungen man die Verbesserung von 28% erreicht hat und so unter Umständen für Euch eine Hilfe bei der Kaufentscheidung, sondern „nur“ einen Einblick in das Testprozedere:

Wir haben über 10 Laminate getestet und bei allen konnten wir Verbesserungen in der Atmungsaktivität erreichen – der höchste Wert war eine Verbesserung von 28%. Wir haben die Anforderungen der Bergführer und Bergsteiger nach höherer Atmungsaktivität bei gleichzeitig hoher Robustheit bei der Neuentwicklung der neuen GORE-TEX(R) Pro Produkte ins Auge gefasst. Dies haben wir sowohl wissenschaftlich prüfen und nachvollziehen lassen, als auch in der Praxis getestet. Wir haben es nicht nur wissenschaftlich geschafft mit einer völlig neuen Membrantechnologie die Atmungsaktivität und gleichzeitig die Robustheit zu erhöhen, sondern die Profi-Tester haben dies auch im Blindtest bestätigt. Es ist gar nicht einfach diese Kombination zu optimieren, denn normalerweise geht mit mehr Robustheit automatisch weniger Atmungsaktivität einher.

Fazit

Natürlich stellt man nicht in Frage, dass die neue Membran im Vergleich zum Vorgänger eine Verbesserung darstellt, denn schließlich ist dies eine natürliche Erwartungshaltung. Wie die Profi-Tester zuvor werden wir uns aber trotzdem noch mal in den kommenden Monaten selbst mal auf Touren in den Alpen, beim Wintersport und Trekking in Nordeuropa mit der neuen Technologie bzw. auch mit der alten Pro beschäftigen. Auch stellen wir persönlich nicht in Frage, dass in den Tests von über 10 Laminaten bei dem ein oder anderen Testobjekt eine Verbesserung von 28% erzielt wurde. Nimmt man rein den Aufbau der Membran und die vergleichbare, aber unterschiedliche Optik der Membran, so klingt die Verbesseung auch durchaus plausibel. Schöner wäre es jedoch, wenn man nicht nur die Botschaften lesen würde, sondern man auch einen Blick auf die erzielten Werte werfen könnte. Bemängeln könnte man somit die Transparenz für den Käufer.

Als Käufer möchte man die Technolgien verstehen, man möchte seine Kaufentscheidungen erleichtert wissen und auch Werte nachvollziehen. Beim Auto wirft man einen Blick u.a. auf den Spritverbrauch, auf den Preis uvm. Sicherlich ist ein nicht unerheblicher Teil der getroffenen Kaufentscheidung geprägt von vergleichbaren Zahlen. Wären diese Zahlen identisch würde man sich sicherlich nicht zum Kauf bewegen können. Bezogen auf den GORE-TEX(R) Pro-Fall könnte man Aussagen wie die „28% mehr Atmungsaktivität“ wohl im Falle des oben beschriebenen Autokauf-Beispiels dann zukünftig nur noch als eine reine Werbebotschaft ansehen. Eine Steigerung von mehr als einem Viertel im Vergleich zum Vorgängerlaminat wird man am Kleidungsständer im Handel wohl dann anders wahrnehmen, wenn einem zugleich die identischen RET-Werte im Kopf präsent sind.

Wie zuvor schon geschrieben kann man eben diese Verbesserung der Membran nicht nachvollziehen, wenn man sich nur den veröffentlichten RET-Wert <6 bei beiden Modellreihen anschaut, der ja bekanntlich identisch ist. Mit Blick auf Kaufberatung und immer mehr kritischen Käufern hätte man sich gewünscht, dass die Testergebnisse transparent und für spätere Kunden einsehbar veröffentlicht würden. Neugierig wie man ja meist ist, wäre auch ohne Nennung von späteren Hardshellmodellen interessant gewesen, wie z.B. der Testsieger des zuvor erwähnten Test durch Gore zu erkennen ist. Natürlich würde man mit dem Wissen ab Herbst die Kataloge und Artikel in den Outdoor-Magazinen absuchen und so den vermeintlichen „28%-„Testsieger suchen. Sicherlich eine Gratwanderung für die Laminat-Marke, will man doch die Testteilnehmer mit nur geringfügig veränderten Werten nicht zum Ladenhüter deklassieren. Die Sorge dürfte aber unbegründet sein, denn sicherlich ist neben der Atmungsaktivität auch immer noch die „Outdoormarke“ selbst ein Kaufgrund für den Endkunden. Wer bislang immer Marke „XYZ“ wählte, wird ihr sicherlich auch beim kommenden Jackenmodell treu sein.

Warum sollte man die Werte offenlegen?

Man möge sich aber auch z.B. mal das abstrakte Szenario vorstellen, dass man sich mit Blick auf eine neue Membran erst einmal keine neue Hardshell gekauft hat und nun sich in Erwartung der Verbesserung der Atmungsaktivität um bis zu XYZ% eine deutlich teurere Jacke beschaffen mag. Vielleicht begegnen dann einem zwischendurch auch mehr und mehr Schnäppchen zum halben Preis zu den aktuellen Modellen und man selbst übt sich standhaft zu sein. Erscheinen dann endlich die neuen Modelle im Handel und man kann sich glücklich schätzen direkt eins dieser Modelle der neuen Generation zu erstehen, dann ist der Frust sicherlich groß, wenn man nun schon rein von der wahrgenommenen Atmungsaktivität merkt, dass man auch gut und gerne den günstigeren Vorgänger hätte nehmen können. Subjektives Empfinden ist natürlich immer eine gefährliche Wahrnehmung, denn es gibt in der Regel nur schwarz oder weiß im Gefühlsleben beim Tragen einer Hardshell. Schwarz wäre, dass man auch hier schwitzt, weiß hingegen, dass man darin nicht schwitzt. Ungeachtet der vielleicht zuvor durchgeführten Tests durch renomierte Bergführer und Bergsportler und deren subjektiven, aber eben positiven Testerlebnissen, wird man sich dann nur noch wenig von der eigenen Meinung beeinflussen lassen.

Ist das Produkt unter Umständen auch rein von der wissenschaftlichen Seite nur geringfügig besser, als die alte Membran so würde ein Fall eintreten, den sich sicherlich weder die Marken noch der Handel wünscht. In dem Fall wird man sich als Kunde zukünftig wohl nicht mehr für neuen Technologien und dergleichen begeistern lassen und die Outdoorbranche wird sich so immer mehr und mehr kritischen Kunden gegenüber stehen sehen, die in immer größer werdenden Abständen ihre Bekleidung und Ausrüstung ersetzen werden.

Was würden wir als Kunden machen?

Wie zuvor schon geschrieben, werden wir uns der neuen Technologie noch ausgiebig in der Praxis widmen und uns ebenso in „Blindtests“ begeben. Auf der ISPO nun in München als Neuheit präsentiert, machten die Modelle mit der neuen Membran aber einen guten Eindruck, auch war rein von der Haptik, sowohl innen und außen eine Veränderung sicht- und spürbar. Demzufolge hat man ab Herbst wahrlich eine vollkommen andere Membran in der Außenschicht, als mit den derzeitigen Jacken. Die Jacken und Hosen werden jedoch, so zumindestens unser Eindruck, wahrlich kein Schnäppchen und verglichen mit den aktuellen Modellen auch noch mal teurer. Nimmt man den schwammingen Punkt mit den identischen RET-Werten, so ist dies für uns der casus cnactus in unserer Kaufempfehlung. Vielleicht erwischt man den „Testsieger“ und hat tatsächlich eine Jacke, die auf Tour einen Komfortgewinn bietet, nüchtern und rational gedacht ist die Chance aber auch vorhanden, dass man außer einem höheren Preis keine Veränderung spüren wird.

Wir würden wohl eher dazu raten, in nächster Zeit sich mit Testergebnissen in Print-Medien, auf Blogs und dergleichen auseinander zu setzen und zeitgleich auch die Outlets der Outdoorgeschäfte zu beobachten. Kann man eine alte „Pro-Shell“ spottbillig erstehen, wäre dies nach derzeitigem Stand wohl unsere favorisierte Entscheidung.